Zusammenarbeit: Jugendamt
Warum Jugendamt?
Manche Menschen verbinden mit dem Ausdruck “das Jugendamt” unangenehme Assoziationen, sie denken an Einmischung, Bevormundung und die Mühlen der Bürokratie. Doch darum geht es hier nicht, sondern um eine wichtige Hilfeleistung.
Alle Kinder und Jugendlichen haben unter bestimmten Bedingungen einen Rechtsanspruch auf die sogenannte “Eingliederungshilfe”. Das Kinder- und Jugendhilfegesetz hat die Jugendämter (bzw. das zuständige örtliche Jugendamt) dazu bestimmt, den Anspruch auf diese Leistung auf Antrag zu prüfen und – bei Vorliegen aller Bedingungen – die Hilfe zu gewähren. Dies geschieht meist in Form von Beratung, Vermittlung und Koordination von Hilfen durch Pädagogen, Therapeuten etc. und der Übernahme von Kosten.
Eingliederungshilfe
Eingliederungshilfe soll nach Maßgabe des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (SGB VIII, § 35a) Kindern und Jugendlichen gewährt werden, wenn ihre seelische Gesundheit über einen längeren Zeitraum vom für das Alter typischen Zustand abweicht oder abzuweichen droht und daher ihre gesellschaftliche Teilhabe beeinträchtigt ist (oder eine solche Beeinträchtigung droht).
Die mit der Eingliederungshilfe verbundenen Leistungen dienen dazu, sowohl die eingeschränkte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft wieder herzustellen, das Kind oder den Jugendlichen also wieder “einzgliedern”.
Mit dem Anspruch auf Eingliederungshilfe verbinden sich häufig die einzigen realistischen Hoffnungen von Eltern, eine vergleichsweise teure Hilfeleistung für ihr Kind in Anspruch nehmen zu können. Doch bis es soweit ist, muss der Anspruch überprüft werden. Dies geschieht durch das Jugendamt nach allgemeinen Regeln, die im Internet nachzulesen sind (Stichwort: Eingliederungshilfe). Dazu gehören unter anderem die fachärztliche Stellungnahme, üblicherweise durch einen Arzt für Kinder- und Jugendlichenpsychiatrie. Je nach Art der seelischen Beeinträchtigung kann auch eine Stellungnahme der Schule erforderlich sein, dies gilt zum Beispiel bei Teilleistungsstörungen wie Legasthenie und Dyskalkulie. Die letztendliche Prüfung des Antrags und der Berechtigung des Anspruches liegt beim zuständigen Jugendamt. Deshalb ist es ratsam, direkt von dort Informationen zum Vorgehen einzuholen, wenn man einen Antrag auf Eingliederungshilfe stellen möchte.
Das Jugendamt behält sich vor, über die Art der bewilligten Hilfe und auch über den Träger der Hilfe zu entscheiden. Ein genereller Anspruch auf ein bestimmtes Hilfeverfahren oder einen bestimmten Anbieter besteht also nicht. Die Eltern haben aber ein Mitspracherecht und können ihre Wünsche in aller Regel geltend machen.
Lernmusiktherapie
Lernmusiktherapie ist als pädagogisch-lerntherapeutische Behandlungsform grundsätzlich erstattungsfähig im Rahmen von Eingliederungshilfe.
Dies gilt übrigens auch für Leistungen wie Dyskalkulietherapie oder Legasthenietherapie. Ziele der Lernmusiktherapie wie Stärkung der Selbstwahrnehmung und der Ausdrucksfähigkeit, Verbesserung von Konzentration und Motivation, Hilfe zur Erholung und Regeneration, Förderung der Handlungsfähigkeit und weitere dienen alle der Fähigkeit des Individuums, sich in alltäglichen Situationen – vor allem solchen, die als belastend empfunden werden – besser zurecht zu finden und die eigenen Handlungsspielräume zu erweitern. Damit entspricht Lernmusiktherapie der Forderung der Jugendämter, dass die Hilfe möglichst direkt auf die seelische Beeinträchtigung Bezug nehmen soll und damit die Chancen auf Wiedereingliederung in das gesellschaftliche Leben verbessert.
Zusammenarbeit
Die Zusammenarbeit mit einem zuständigen Jugendamt kommt entweder auf Wunsch der Eltern eines Kindes oder Jugendlichen oder auf Initiative des Jugendamtes selbst zustande.
Lernmusiktherapie ist ein ganz junges Angebot, so dass ihre Bekanntheit bei den Ämtern derzeit noch gering ist. Dies kann sich für den Zuständigkeitsbereich eines bestimmten Jugendamtes jedoch schnell ändern. Der Wunsch auf eine lernmusiktherapeutische Zusammenarbeit im Rahmen der Eingliederungshilfe sollte sowohl dem Jugendamt als auch dem Lernmusiktherapeuten möglichst schnell mitgeteilt werden.
Sobald ein Jugendamt die lernmusiktherapeutische Hilfe genehmigt hat, können für einen längeren Zeitraum Stunden vereinbart werden, die in vielen Fällen ohne Umweg über die Eltern mit dem Jugendamt direkt abgerechnet werden. Dem Jugendamt wird ein- bis zweimal pro Jahr Bericht über den Fortgang der Förderung erstattet. In ähnlichen Abständen, mindestens aber zu Beginn und zum Ende der Förderung finden sogenannte “Hilfeplangespräche” statt, bei denen sich ein Vertreter des Jugendamtes mit den Eltern des Kindes, dem Kind oder Jugendlichen selbst und dem Lernmusiktherapeuten an einen Tisch setzen, um die Förderung gemeinsam zu planen und/oder zu resumieren. Bei Bedarf können auch Lehrer oder andere relevante Personen teilnehmen. Die Form des Hilfeplansgespräch zeigt allen Beteiligten, dass es sich bei der Gewährung von Eingliederungshilfe nicht um einen “Akt von oben” handelt, sondern um die Wahrung eines Anspruches, den der oder die Betroffene selbst wahrnimmt. Wenn die Zusammenarbeit zwischen Jugendamt, Lernmusiktherapeut, Kind, Eltern und gegebenenfalls Schule einvernehmlich ist, besteht eine gute Aussicht, dass die Hilfe auch zum gewünschten Ziel führt.