Für Schulkinder kann Lernmusiktherapie einen nötigen Ausgleich zu Lernsituationen schaffen, unter denen das Kind leidet. Im Mittelpunkt der Lernmusiktherapie steht nicht die Leistung, sondern das Kind mit allem, was es mitbringt. Besondere Aufmerksamkeit bekommen deshalb die eigenen Vorstellungen, Wünsche und Impulse des Kindes, die im schulischen Rahmen starker Anpassung unterworfen sind. In der Lernmusiktherapie werden sie aufgegriffen, in spielerischer Weise vertieft und weiterentwickelt.

Lernmusiktherapie mit Schulkindern

  • ist spielerisch, experimentell, improvisierend
  • schafft Situationen, in denen alle Sinne gebraucht werden
  • sucht den Ausgleich von Außen- und Innenwahrnehmung („Hören – Lauschen“)
  • erkundet Gegensätze (z. B. „leise – laut“, „Dirigieren – Folgen“, „zart und stark“)
  • übt das Ungewohnte (z. B. Trommeln bei Schüchternheit)
  • regt die Vorstellungskraft an
  • stärkt das Selbstvertrauen

Schulische Themen können in der Lernmusiktherapie eine wichtige Rolle spielen. Sie werden aber nicht unterrichtet oder eingeübt, sondern über sinnliche Erfahrungen angebahnt. Im Vordergrund steht immer der Körper mit seinen Möglichkeiten, ohne die es dem Verstand an Anschauung fehlt. Den Lernmusiktherapeuten leitet jeweils die Frage, welche „Erfahrungsbausteine“ dem Kind helfen, um bestimmte Fertigkeiten zu entwickeln.

Beispiele:

Der kindliche Spracherwerb hängt davon ab, ob das Kind die verschiedenen Laute unterscheiden kann. Dafür ist wiederum die Erfahrung wichtig, diese Laute selbst zu bilden. Laute zu bilden aber ist eine Aufgabe unseres körpereigenen Musikinstrumentes, der Stimme, und eine sehr musikalische Angelegenheit, die etwa durch Singen gelernt wird.

Das Rechnenlernen handelt von Prinzipien wie Reihenfolge, Menge und Anzahl, die wir in einer bestimmten Weise verknüpfen. Dieselben Prinzipien spielen auch in der Musik eine wichtige Rolle. Kinder, die ihr Rhythmusgefühl schulen, haben nicht nur eine lebendige Anschauung, sondern auch ein besseres Gedächtnis für Mengen und Zahlen.

Gong-vor-Hochhaus

Osman…

 

… ist acht und geht in die dritte Klasse. Er spricht gut Deutsch, obwohl seine Eltern mit ihm zu Hause fast nur Türkisch reden. Beim Lesen und Schreiben macht er noch viele Fehler. Überhaupt ist er in der Schule nicht so gut, was er ziemlich schlimm findet. Wenn ihm etwas nicht gleich gelingt, wird er schnell wütend und möchte am liebsten alles hinschmeißen.

Zur Lernmusiktherapie geht Osman gerne, da gibt es viel zu erleben. Ihm gefallen die lauten Instrumente, allen voran die Trommeln und der Gong. Einmal hat er den Gong so laut gespielt, dass er selbst erschrocken ist. Herr Grebe, der Lernmusiktherapeut, hat ihn da gefragt, wie lange er den Gong noch hören könne. Osman konnte noch sehr, sehr lange etwas hören, selbst als der Gong nur noch ganz leise summte. Das hat ihn fasziniert. Seitdem geht es in den Stunden oft um „laut“ und „leise“. Osman merkt, dass er viel mehr Dinge hören kann, als er dachte. Herr Grebe nennt das „Lauschen“ – ein schönes Wort.
Auch am Singen hat Osman Gefallen gefunden. Bei dem Lied von den „Drei Chinesen“ lernt er so einiges über die Laute, die man auch beim Lesen macht. Herr Grebe findet, dass Osman schön singt und redet auch mit seiner Lehrerin darüber. Osman selbst wusste das gar nicht. Aber seit Kurzem darf er in der Schule öfter mal ein Lied vorschlagen, und seine Lehrerin staunt ebenfalls, wie gut er singen kann. Das gibt Osman eine Menge Auftrieb. Jetzt freut er sich manchmal auf die Schule.